The Card Counter 2022
Hypnotisches Drama und Rachethriller um einen professionellen Kartenspieler und verurteilten Wärter in Abu Ghraib, der Vergebung sucht.
Fünf Jahre nach seiner radikalen Licht im Winter"-Neuinterpretation First Reformed" setzt Paul Schrader sein spätes zweites Comeback fort, mit einem Werk, das nicht leicht auf die Beine zu stellen gewesen sein muss. In den Credits kommt man fast nicht hinterher, um auf einer Titelkarte die zehn Executive Producer lesen zu können, nur um direkt danach auf einer weiteren Titelkarte noch einmal acht weitere Executive Producer zu listen. Jedem einzelnen will man die Hand schütteln - oder wenigstens Corona-konform Fistbumpen -, dass sie diesen strengen und hypnotischen Film möglich gemacht haben, der einmal mehr all die Themen variiert, die Schrader seit Taxi Driver", Ein Mann für gewisse Stunden" oder Mishima" interessieren. William Tell (sic!) ist einer dieser God's Lonely Men, für die er bekannt ist, ein neuer Travis Bickle, Jake LaMotta, Charles Rane, ein spartanischer Einzelgänger mit einem rigiden Moralkodex, gespielt von dem großartigen Oscar Isaac als Mann buchstäblich in Grau, ohne erkennbare Eigenschaften oder Leidenschaften. Außer dass er in seinem Auto durchs Land fährt und von einem kleinen Kartenturnier zum nächsten reist. Dort bucht er sich in einem Motel ein, in seinem Zimmer hängt er alle Bilder ab, entfernt die elektrischen Geräte, kleidet alle Möbel und das Bett in weiße Laken ein, bis der Raum aussieht wie das Zimmer, in dem der Greis in 2001 - Odyssee im Weltraum" liegt.
Wer ist dieser Mann? Warum macht er das? Schnell lässt Schrader durchblicken, dass dieser Tell einer der Soldaten war, der in Abu Ghraib Gefangene misshandelte und erniedrigte - und dafür zehn Jahre ins Gefängnis musste, während sämtliche Vorgesetzte ungeahndet davonkamen. Jetzt befindet sich sein Leben in einer ewigen Warteschleife, das Kartenspielen, das er sich im Knast beigebracht hat, hilft ihm, die Zeit zu überbrücken. Bis der Sohn eines anderen Abu-Ghraib-Gefängniswärters in sein Leben tritt, dessen Vater nach dem Gefängnis abstürzte, drogenabhängig wurde, seine Mutter und ihn misshandelte und sich schließlich das Leben nahm. Der Junge möchte Tell als Partner in Crime gewinnen, um dessen einstigen Vorgesetzten, dem er die Schuld am Tod seines Vaters gibt, zu foltern und zu töten. Tell wiederum sieht in dem Jungen eine Möglichkeit, Abbitte zu leisten. Er nimmt ihn unter seine Fittiche und erklärt sich erstmals bereit, mit Hilfe der gut vernetzten La Linda an lukrativen Turnieren teilzunehmen und dem Schützling mit den Gewinnen einen Weg in die Zukunft zu ermöglichen. Der Weg guter Absichten ist allerdings dornig in diesem in gewohntem Schrader-Stil visuell schlicht und unauffällig gehaltenen Film, der seine Sogkraft durch seine Erzählung entfaltet. Am Schluss dieses als Rachethriller verkleideten Glaubensbekenntnisses, das Höllentrip ebenso ist wie Himmelfahrt, wartet in einem schier endlos gehaltenen Schlussbild der Zustand der Gnade. Und Gott, der eine Frau ist und schwarze Hautfarbe hat. Wenn das keine Sprengkraft hat!
Thomas Schultze.
Quelle: Blickpunkt:Film
Laufzeit: 112 min.
Filmstart (Veröffentlichung): 04.03.2022
Darsteller: Oscar Isaac, Tiffany Haddish, Willem Dafoe
Kinofilm Trailer:
Bild von der Veranstaltung
Bildrechte: (C) Metropol Kino
Kategorien: Events | Kinofilme | Kultur
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