Aktualisiert am 20.09.2021
So rau das Land im Gebirge ist, so zäh sind manche seine Bewohner. Der Radfelder Walter Weinseisen ist einer jener kernigen Tiroler. Mit 72 Jahren fährt er mit dem Rennrad 18.000 km pro Jahr und beweist damit, dass man sich Grenzen selbst setzt.
Radfeld – Wer Walter Weinseisen auf Strava folgt, der kann kaum glauben, dass man einem 72jährigen Rentner folgt. Fast täglich postet Weinseisen seine Ausfahrten. Die Kilometer- und Höhenmeterangaben haben es oft in sich. Und wenn er dann gemeinsam mit seinen „Jungs“, wie er seine Begleiter liebevoll nennt, mal ebenso an einem Tag von Salzburg nach Prag fährt, dann gibt’s auch von seiner Communtiy viele Kudos. Denn selbst gut trainierten Radfahrern entlocken 3000 Höhenmeter auf 350 Kilometern mit einem Schnitt von 27Km/h ein bewunderndes Stirnrunzeln.
Walter lacht dazu nur. „Das hat nicht s mit extrem zu tun. Man radelt das so runter“, meint er. „Das war eine Gaudi mit den Kollegen und am Abend haben wir Bier getrunken. Die Tour sind wir schon öfter gefahren“, erzählt er. Walter sieht man sein Alter nicht an. Er ist kernig, drahtig, durchtrainiert. Bescheiden und locker ist sein Gemüt.
Statt wie andere seiner Altersklasse sich regelmäßig zum Arzt zu setzen, um sich wegen Zucker, Bluthochdruck und Herz-Kreislauferkrankungen behandeln zu lassen, setzt sich der aktive Senior regelmäßig aufs Rad. Täglich mit wenigen Ausnahmen. Aber Walter ist ein Schönwetterfahrer, wie er sich selbst bezeichnet. „Ich fahre, weil es mir Spaß macht und nicht, weil ich muss.“ Ihm tun jene Hobbysportler leid, die sich selbst kasteien und streng an Trainings- sowie Ernährungspläne halten, um dann im Jedermann-Rennen ein paar Platzierungen vorne zu liegen. „Für mich ist die Grundvoraussetzung, dass es Freude macht. Wenn ich nach 45km keine Freude mehr habe, dann drehe ich um und fahre heim“, erzählt er.
Das scheint allerdings nicht oft vorzukommen. Davon zeugen auch unzählige Medaillen in seinem Hobby-Rad-Raum. Ein riesen Haufen bunter Startnummern sind wie Post it´s an die Wand gepinnt. 60 Rennen hat er bestritten. Darunter den Ötztaler Radmarathon, den er bereits 16-mal gefahren ist. Seite Bestzeit lag bei herausragenden acht Stunden und 46 Minuten, die er in Sölden mit 60jahren einfuhr. Hochachtung! Zu seinem Pensionsantritt ist er dann von Radfeld nach Nizza gefahren. 36 Alpenpässe und 40.000 Höhemeter später hatte er sich einen lang ersehnten Traum erfüllt.
Das Rad begleitet ihn sein ganzes Leben. Als Walter mit den Rennradfahren begann, war er ein totaler Außenseiter. „In den 60er Jahren hat mich jeder schief angeschaut mit meinen dünnen Reifen und dem Rehleder in der kurzen Hose“, erinnert er sich. Als Jugendlicher fuhr er bereits erste Rennen. Später als Pharmatechniker fuhr er jeden Tag mit dem Rad ins benachbarte Kundl zur Arbeit. Erst mit 53 Jahren entdeckte er das Rennradfahren wieder für sich und begann zu trainieren. Sein Tipp für die Fitness im Alter? „Ich habe keinen Training- und Ernährungsplan. Wenn es drei Tage regnet fahre ich nicht. Aber ich höre auf meinen Körper und fahre regelmäßig – das ist mein Tipp.“
Im Corona-Lockdown im März 2020, als in Tirol selbst gesundheitsfördernder Sport im Freien untersagt war, hat Walter seinen Hometrainer einfach auf die Terrasse gestellt und ist dort gefahren. Erfinderisch muss man sein.
Walter ist nahezu sämtliche Tour de France Pässe gefahren und die besten Asphaltstrecken von Südfrankreich bis Schweden unter seinen Rädern gehabt. Dennoch ist für ihn seine Heimat die beste Gegend, um sie mit dem Rennrad zu erkunden. „Hier vor meiner Haustüre im Alpbachtal gibt es so viele abwechslungsreiche Strecken, das habe ich selten so erlebt“, schwärmt er. Vom flachen Inntal, in dem man Kilometerfressen kann bis zum hügeligen Voralpenland bis in die Berge: Das Alpbachtal im Tiroler Unterland bietet Abwechslung pur auf zwei Rädern. Und Walter muss es wissen, denn er hat für die Tourismusregion 20 Routen erstellt, um diese auch den Gästen zugänglich zu machen.
Und wer noch kein Rennradspezialist ist, dem rät Walter es einfach mal auszuprobieren. Egal in welchem Alter, denn Grenze setzt man sich selbst.