Um einen sicheren Wintertourismus zu gewährleisten, muss die Komplexität des COVID-19 Managements reduziert, transparent kommuniziert, einheitlich gehandelt, die Kompromissbereitschaft gefördert und attraktiv gehandelt werden. Das zeigen die ersten Zwischenergebnisse des Forschungsprojekts „COVID-19 – Risikomanagement Wintersaison 2020/2021“ des Centers for Social and Health Innovation (CSHI) am MCI. Nach zwei produktiven Forschungsmonaten kann das CSHI diese ersten Handlungsempfehlungen für den Westösterreichischen Tourismus, welcher sich derzeit aufgrund der erheblich ansteigenden Infektionszahlen mit Reisewarnungen konfrontiert sieht, präsentieren. Dabei ist zu beachten, dass die nächsten Wochen entscheidend dafür sein werden, wie gut sich Länder, Gemeinden und Tourismus in der verbleibenden Zeit bis zum Start der Wintersaison vorbereiten. „Die notwendigen Sicherheitsabstände und Verhaltensweisen gilt es zu organisieren und nach Möglichkeit mit einem Qualitätsgewinn für alle Beteiligten zu verbinden. Aber damit hier alle an einem Strang ziehen, gibt es noch einiges zu tun.“ Siegfried Walch, Leiter des MCI-Department Nonprofit-, Sozial- und Gesundheitsmanagement.
„[…] The single most important weapon against the disease will be a vaccine. The second most important will be communication.” (John M. Barry 2009: Pandemics: avoiding the mistakes of 1918).
Ausgehend von diesem Zitat zeigen die ersten Zwischenergebnisse, dass auch in der aktuellen Pandemie die Kommunikation entscheidend, aber gleichzeitig noch ausbaufähig ist. So wurden in einer ersten Phase Vertreter/-innen von Gemeinden, Tourismusverbänden und Seilbahnbetrieben sowohl quantitativ als auch qualitativ befragt, um den Status Quo in den einzelnen Destinationen zu skizzieren und lokale Potenziale, Bedürfnisse und Herausforderungen zu identifizieren. „Ein von allen getragenes Risikomanagement für den Wintertourismus hilft uns auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen wie dem Gesundheitswesen, den Schulen usw.“ Lukas Kerschbaumer, Center for Social & Health Innovation am MCI. CSHI fasst folgende Erfordernisse und Handlungsfelder klar erkennbar zusammen:
Wir wissen heute gut Bescheid über die betreffenden Umstände eines Infektionsgeschehens. Es muss nicht alles zum Gegenstand akribischer Kontrollen werden. Es gilt kritische Punkte, Kontexte und Situationen zu identifizieren und für diese wenigen, aber entscheidenden Hotspots einfache, aber wirksame Konzepte anzuwenden. Mit den Regeln für die Gastronomie hat die Bundesregierung hier einen ersten Schritt gesetzt.
Viele Akteure warten auf gesetzliche Vorgaben und klammern eine proaktive Vorgehensweise auf lokaler Ebene häufig aus. In diesem Zusammenhang wird in der Umfrage des CSHI ein Defizit an Vernetzung der Tourismusakteure benannt und die fehlende Regelung von Verantwortlichkeiten zwischen regionalen und überregionalen Akteuren kritisiert. Das Motto für die nächsten Wochen muss lauten: „Wir agieren proaktiv und vorausschauend in unserem jeweiligen Verantwortungsbereich und warten nicht bis jedes Detail durch flankierende Maßnahmen der Länder oder der Bundesregierung geregelt ist, freuen uns aber über jede abgestimmte Regelung, die Sicherheit für die Wintersaison bringt.“
Besonders große und mittlere Skigebiete treiben die Vorbereitungen von Maßnahmen für den Wintertourismus voran. Die Erhebung des CSHI zeigt, dass dies aber nicht für alle gleichermaßen möglich ist bzw. angestrebt wird. Zugleich stecken viele Akteure viel Aufwand in Parallelaktivitäten. Hier bleibt Potential für Synergien in Bezug auf Ressourcen und Wissen noch ungenutzt. Beispielsweise könnten viele regionale Investitionen in das Contact Tracing gebündelt werden, wenn damit die flächendeckende Verankerung der Stopp-Corona-App unterstützt würde. „Die schnelle Rückverfolgung von Kontakten ist eine der Herausforderungen, die es im Winter zu bewältigen gilt, um das Infektionsgeschehen möglichst niedrig zu halten. Deshalb ist eine einfache, aber effektive Registrierung erforderlich“, fasst Hubert Siller, Leiter MCI Tourismus, die Situation zusammen.
Es braucht die Etablierung einer glaubwürdig untermauerten Botschaft: „Sicheres Tirol, sicheres Vorarlberg, sichere Wintersaison. Die Gesundheit der Einheimischen, der Mitarbeiter/innen und der Gäste steht bei uns an erster Stelle“. Die Konkurrenz sitzt dieses Jahr nicht im Nachbartal, die Konkurrenten sind das Virus, die Reisewarnung, der Lockdown. Sicherheit ist dort gegeben wo Verdichtungen vermieden bzw. systematische Auflockerungen von Gruppen vorgenommen werden. Die Ergebnisse des CSHI zeigen allerdings, dass die Bereitschaft zur Reduktion von Auslastungen bisher nicht zur Debatte stand.
Die aktuelle Situation beinhaltet das Potential einen Kulturwechsel im Wintertourismus anzustoßen. Nicht alle Maßnahmen müssen der Minimierung von Infektionsgeschehen zugeordnet werden, sondern können darüber hinaus einen neuen Servicegedanken etablieren und langfristig die Qualität der Angebote im Wintertourismus erhöhen. (Stichworte: Kein Gedränge beim Anstehen, kein Warten auf Tickets da vorab Onlinebuchung möglich, virtuelles Anstehen, geregeltes Frequenz- und Platzmanagement in Gondeln und Skihütten). Darüber hinaus gilt es die Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Bereichen wie dem Gesundheitswesen, den Schulen usw. im Auge zu behalten. Das Risikomanagement im Winter gilt für alle Lebensbereiche.
Ausblick auf die zweite Projektphase
Diese Zwischenergebnisse werden nun zu einem Handlungsmodell für die Wintersaison zusammengeführt, das wiederum an alle Gemeinden, Tourismusverbände und Seilbahnunternehmen in Tirol und Vorarlberg gesendet wird. Gleichzeitig sind in der zweiten Phase auch alle Betriebe eingeladen, an der Befragung zum Handlungsmodell teilzunehmen.
Damit sollen alle im Tourismus verantwortlichen Entscheidungsträger dabei unterstützt werden, eine möglichst sichere Wintersaison zu organisieren, d.h., die mit der COVID-19-Ansteckungsgefahr verbundenen Risiken zu erkennen, im eigenen Umfeld zu identifizieren, abzuschätzen, zu bewerten und in die eigenen Abläufe zu integrieren.